Einmal geplatzter Kragen an Tzatziki (zweimal ergänzt)

(1. / 2. Ergänzung unten)

(03.09.2016) Um es kurz zu machen: In den letzten Tagen habe ich in zwei Koch-/Foodblogs Gerichte abgebildet und beschrieben gesehen, über die mir immer mal wieder der Kragen platzt. In letzter Zeit habe ich versucht, mich dementsprechend zurück zu halten, aber jetzt bin ich mal so weit, den entsprechenden Autoren jedwedes kulinarische Verständnis (unberechtigt, aber sehr emotional) abzusprechen.
Auf jeden Fall ist ein Verfall kulinarischer Standards festzustellen, wenn schlechtester Abklatsch eines im originalen sehr leckeren und relativ gut definierten Gerichtes als Höhepunkt hochgejubelt und mit einem produktbeschreibenden Begriff belegt wird, bei dem die vorgestellten Gerichte nichts, aber auch gar nichts mit dem ursprünglichen zu tun haben.
Entschuldigung, aber ich bin darüber etwas erregt, vielleicht, weil ich auch zu lange geschwiegen habe. Aber ich habe mich schon ein paar Mal darüber ausgelassen, da wollte ich eigentlich nicht schon wieder mit dem Thema nerven. Aber es kam dieser Tage geballt aus verschiedenen Richtungen, da musste ich schon aus Seelenhygiene heraus darüber schreiben.
Stichwort: Gyros. Auf einem Drehgrill(! – da kommt der Name übrigens her) wird ein Fleischspieß geröstet, bis er eine schöne Kruste bildet. Danach wird die äußere Schicht grob abgeschnitten, so dass sich wieder eine neue Kruste bilden kann. Der Fleischspieß besteht übrigens nicht im wesentlichen aus Hackfleisch wie beim Döner, sondern aus aufgespießten Fleischfladen. Aber auch der Schnitt ist ein anderer. Während beim Döner die äußere Schicht eher abgehobelt wird (also dünn abgeschnitten), ist das Gyros etwas dicker geschnitten. Kruste auf der einen Seite, saftiges Fleisch auf der anderen.
Ein weiterer Unterschied zwischen Döner und Gyros ist dann auch noch die Würzung, aber über die möchte ich mich nicht auslassen. Da hat vermutlich jede Familie ihre eigene. Das gleiche trifft auf die Mischung der Fleischsorten zu. In diesen beiden Punkten gibt es übrigens noch die meisten Berührungspunkte zwischen den oben angesprochenen Fleischgerichten aus den Blogs und einem “normgerechten” Gyros. Aber eine ordentliche Kruste oder eventuell die dafür sinnvolle Anwendung eines Drehgrills ging den beiden Angeboten ab.
Allein die Tatsache, dass es einen Begriff wie “Pfannengyros” überhaupt gibt, halte ich für extrem verwerflich. Ich mache den Lebensmitteleinzelhandel für diese Verwässerung des Begriffs hauptverantwortlich. Was dort zum Teil unter dem Namen angeboten wird, ist unter aller Würde. Sicher: Kaum jemand hat einen Drehgrill zu Hause zu stehen und der Wunsch nach dem Verzehr eines guten Gyros ist oftmals groß. Warum also nicht einen kulinarischen Krüppel anbieten, den der wohlwollende Koch zu Hause mit einer einfachen Pfanne zubereiten kann? Es ist ja so schön einfach. ABER EBEN KEIN GYROS! “Nach Gyrosart gewürztes Geschnetzeltes” wäre der einzige sinnvolle Name, wenngleich etwas sperrig, aber wenigstens richtig und nicht Meister im Aufbau falscher Erwartungen.
In dem einen Blog wird übrigens eine kantinöse Version des Geschnetzelten beschrieben. Wer sich das Bild des Gerichte ansieht, wird schnell meinen Hauptkritikpunkt nachvollziehen können: Hellgraues Fleisch, vermutlich in eigenem Saft gegart, ohne jedwede Grillspuren und die damit normalerweise verbundenen Geschmackserlebnisse. Nichts. Gar nichts. Aber bei aller Kritik, hier ist etwas richtig gemacht worden: die Zwiebeln kamen erst auf dem Teller zum Fleisch.
Beim anderen Blog wurden die Zwiebeln schon vor dem Braten unters Fleisch gegeben. Dann wird zwar eine gute Eisenpfanne genommen, die man schön heiß hätte machen können, um das Fleisch richtig kross anzurösten, aber dann werden Zwiebeln dazwischen gemischt, die eher verbrennen und sich damit große Hitze in der Pfanne verbietet. Grilleffekt ade. Die Farbe des Fleisches kommt vom Paprika, der in einer zu heißen Pfanne auch eher verbrennt, also als Gyros-Würzung auch eher sparsam (eigentlich gar nicht) verwendet werden sollte. Ich will nicht ausschließen, dass am Ende ein wohlschmeckendes Fleischgericht herausgekommen ist. Die Zutaten und die Zubereitung sprechen dafür, dass es ein leckeres Geschnetzeltes geworden ist, aber eben kein Gyros.
Es gibt eine ganze Reihe feststehender kulinarischer Begriffe, unter denen man sich etwas vorstellen kann, wenn man von ihnen hört oder sie liest. Ein paar sind mittlerweile geschützt, so dass man wirklich auch das bekommt, was man erwartet (zumindest, wenn der Koch alles richtig macht). Das “Wiener Schnitzel” gehört dazu (paniertes Kalbsschnitzel) oder Nürnberger Lebkuchen. Weitere Beispiele gibt es. Sauce Hollandaise wäre ein Kandidat dafür, auch geregelt und geschützt zu werden. Unter dem Namen wird auch viel Blödsinn verkauft. Oder eben Gyros. Ich könnte mich da für eine EU-Norm begeistern.

Ergänzung

(13.09.2016) Da gibt es einen schönen Spruch: “Immer, wenn Du denkst: ‘Schlimmer kann es nicht mehr kommen.’, kommt es schlimmer. Und man fängt sich – vielleicht etwas übertrieben – an zu fragen, ob es Ignoranz (nicht gegenüber diesem Blog, sondern ganz allgemein) oder Gleichgültigkeit ist. Oder vielleicht auch noch was viel schlimmeres. Aber da schlägt mir doch vor einigen Tagen ein Kochblogbeitrag entgegen, der eine schallende Ohrfeige gegenüber all denen ist, für die Salz im wesentlichen NaCl mit einigen anderen Mineralsalzbeimengungen ist oder Milch ein Drüsensekret von Kühen, Ziegen und anderen Tieren ist.
Hausgemachtes Fastfood ist das Motto, unter denen das Grauen seinen Lauf nimmt. Wobei ich gleich zu Beginn betonen möchte, dass das fertige Gericht durchaus schmackhaft oder köstlich oder was auch immer sein kann. Das will ich nicht bestreiten (wobei ich da in einigen Details meine Zweifel habe). Es geht um die missbräuchlich verwendeten Begrifflichkeiten. Sehr positiv hervorzuheben ist vor allem das Bestreben, alles selber zuzubereiten, selbst Teile, die man kaufen kann. Aber eben nicht unbedingt muss. Das betrifft zum Beispiel auch die nicht einfache Gewürzmischung. Meine Hochachtung. Ehrlich. Immerhin ist das Nachbauen eines Döners – darum gehts – nicht so einfach, wie man denkt.
Nun mag sich der kundige Leser vielleicht fragen: “Gehts hier im Beitrag nicht eigentlich um Gyros?” Und recht hat er. Aber es gibt die Verbindung. Weiter oben habe ich schon über die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Döner Kebab und Gyros philosophiert. Die Gemeinsamkeiten sind augenscheinlich: die äußere Form (wenn man nicht so genau hinschaut) und die Zubereitung am Drehspieß. Sicher ist auch das eine oder andere Gewürz sowohl im einen wie im anderen. Aber ansonsten Summieren sich die Unterschiede.
Oder auch nicht. Im erwähnten Blogbeitrag steht oben drüber Döner, gewürzt wird übrigens mit einem selbst gemachten Gyrosgewürz. Als Fleisch wird Schweineschnitzel verarbeiten. Das spricht ebenfalls eher für Gyros, wird doch Schweinefleisch nur bei diesem Drehspießgericht verwendet. Dönerspieße bestehen aus Rind-, Kalbs-, Geflügel-, Lamm-, Hammel- und/oder Putenfleisch. Mit einem bisschen Bildung und dem Wissen um die Herkunft der Gerichte dürfte diese Zuordnung eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Aber nein, da wird ge-crossover-t bis es kracht. Wie wäre es, wenn Dürüms als Frühlingsrolle verkauft werden?
Wie gesagt: Das selbstgemachte Fladenbrot mit der Füllung aus nach Gyrosart gewürzten Geschnetzeltem, Salat, Soße, Gemüse ist vermutlich recht wohlschmeckend und eine schöne Idee. ABER ES IST KEIN DÖNER! UND KEIN GYROS!

2. Ergänzung

(17.09.2016) Nicht-Gyros scheint gerade Mode zu sein. Liebe Foodblogger, denkt doch bitte mal an meinen sowieso etwas zu hohen Blutdruck! 😉
Bisher war ich ja immer der Meinung, das zu oft unter dem Namen “Gyros” bzw. “Pfannengyros” ein “nach Gyrosart gewürztes Geschnetzeltes” angeboten wird. Aber mittlerweile ist es manchmal nicht mal mehr das. Dieser Tage veröffentlichte ein Kochblog ein Gericht unter dem Namen “Pfannen Gyros”, das nicht mal mehr nach Gyrosart gewürzt wurde. Paprika, Rosmarin, Pfeffer.  Und Zwiebeln, die bereits unter das rohe Fleisch gemischt wurden und eigentlich beim Anbraten eher verbrennen, als dass das Fleisch die notwendige Behandlung erhielte, um auch ungedreht ein wenig gyrosähnlich zu werden. Aber wo bleiben die wunderbaren Aromen von Knoblauch, Oregano, Thymian, Kreuzkümmel oder Majoran? Namensmissbrauch auf ganzer Ebene. Was übrigens auch hier wieder nicht gegen das Gericht als solches spricht, stellt es doch in seiner marinierten Art eine der wenigen sinnvollen und schmackhaften Zubereitungsarten für Schweineschnitzelfleisch dar.
Besonders kurios wurde es aber dieser Tage noch woanders. Wobei ich das in zwei Sinn-Formen meine. Der kreative Umgang mit Standards ist ja durchaus positiv zu sehen. Und so ist Gyros mit Krautsalat in einer ungewöhnlichen “Teigtasche” eine durchaus interessante Idee. Tzatziki war natürlich auch dabei. Das kann ich mit sehr lecker vorstellen. Wenn’s denn wenigstens Gyros gewesen wäre. Aber nein: Es war hier mal wieder ein schönes (keine Ironie) “Pfannengeschnetzeltes, nach Gyrosart gewürzt”. Die Würzmischung klingt wirklich gut und das Fleischgericht in der “Egg Waffle” war und ist sicher lecker. Nur eben kein Gyros.
In dem Zusammenhang besonders lustig (voll Ironie) ist ein Satz in dem Blogbeitrag, der vermutlich im Sinn stand: Ich weiß, dass es nicht originalgetreu ist, also mach ich mal eine relativierende Bemerkung. Leider ging das völlig nach hinten los.

Ich verwende für mein Gyros Schweinefleisch, genauer gesagt Schweinenacken. Schwein ist natürlich nicht das für Gyros typische Fleisch, da wäre Lamm auf jeden Fall authentischer, aber da wir kein Lamm essen, weiche ich einfach auf Schwein aus.

Tja, da wurde mal wieder Gyros mit Döner Kebab verwechselt. Schweinefleisch ist DAS Fleisch für Gyros. Lamm, Rind und Hammel gehören eher in den Döner. Das kommt übrigens von der Herkunft. Gyros kommt aus dem eher christlichen Griechenland, der Döner aus der muslimisch geprägten Türkei. In letzterer wird traditionell kein Schweinefleisch gegessen. Anders als bei den Griechen.
Je länger ich mich mit dem Thema befasse, reift bei mir eine Idee, wie man ein sehr gyrosnahes Geschnetzeltes auch aus der Pfanne hinbekommen kann. Falls ich das mal irgendwo finde, werde ich es loben. Versprochen. Auch wenn es aus der Pfanne kommt. Deal? Warten wir also mal ab.

2 Gedanken zu „Einmal geplatzter Kragen an Tzatziki (zweimal ergänzt)“

    1. Danke, ich fühlte mich etwas besser nach dem Schreiben. Allerdings auch nicht sooo viel besser, wie ich gehofft habe, da damit ja doch nur ein wenig an der Oberfläche gekratzt wurde. Von der Unbedeutung dieses Blogs mal abgesehen.
      Aber, es gibt noch mehr Themen, die mich bei Kochblogs und in der dazugehörigen Szene aufregen. Wenn mir mal wieder der Kragen platzt … 😉

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