Endlich mal was neues!

Die Überschrift ist übrigens eine Forderung, keine Bestandsaufnahme. Aber Kreativität scheint nicht Hauptfähigkeit der Industrie zu sein und sowas abzufordern nicht die Fähigkeit der Konsumenten. Deswegen ist es heutzutage Mode, klassische Fleischgerichte und -produkte mit neuen Rezepturen und weniger Fleisch, dafür mit Hühnereiweiß, Rapsöl, Erbsen, Linsen, u.a. nachzubauen. Und zu hoffen, dass es dem Konsumenten genauso schmeckt wie das Original, aber mit besserem Gewissen. Das hat schon bei Light-Getränken seit den 1980er Jahren nicht funktioniert, es klappt auch nicht mit den vegetarischen oder veganen Nachbauten.
Gibt’s dieses Nachbauessen eigentlich auch schon in Bio? Und regional? Nein? Komisch. Nicht, dass ich etwas gegen vegetarische oder vegane Gerichte und Produkte habe, aber es ist nicht die Aufgabe der Hersteller, Fleisch zu simulieren, sondern etwas geschmackvolles und ggf. auch neues auf den Markt zu werfen. Die Möglichkeiten sind doch groß. Scheinbar wird aber dem Konsumenten eingeredet, er braucht seine Ernährung eigentlich nicht ändern, es gäbe ja auch alles in vegetarisch/vegan; oder will er das aus freien Stücken selber? Naja, jeder braucht seine Religion inkl. Selbstkasteiung für die Reinheit des Gewissens, ohne allzuviel den Gripskasten anstrengen zu müssen.
Konkretes Beispiel der Verirrungen gefällig? Fleischwurst. Gibt’s – wen wunderts? – mittlerweile auch als vegetarische Alternative. Für vegan hat’s nicht gereicht, da Hühnereieiweiß mit drin ist. Da existieren aber schon einige Produkte, die so aufgebaut sind. Ein bekannter Hersteller für Hühnerfleischprodukte (u.a. auch Fleischwurst) schiebt da was in die Kühltheken und ich habe es testweise gekauft. Und gegessen.
Vegetarische FleischwurstAuch wenn auf des Messers Schneide sich das Wort Bio widerspiegelt: Die Wurst ist es nicht. Da stand wohl ein Karton mit einem Biogetränk außerhalb des Bildes. 😉
Vegetarische FleischwurstVielleicht sollte ich noch eine Info vorweg schieben: Ich mag keine Fleischwurst. Ich habe einige Marken und Typen probiert und sie haben mir alle nicht zugesagt. Eine gute Basis also, diese für mich neue Sorte zu probieren.
Geschmacklich liegt sie dicht dran an den anderen Produkten, die ich im Verlauf der letzten Jahre probiert habe. Die aromatische Bandbreite der fleischlichen Vorbilder ist so groß, da passt auch diese dazwischen. Biss und Mundgefühl finde ich allerdings unterirdisch. Da ist keine echte Substanz drin, die dann doch den Originalen eigen ist. Sicher, auch die werden recht heftig gecuttert, aber die vegetarische Variante ist eher wie schnittfest gemachte feine Streichwurst ohne Basis. Etwas weniger Bindemittel rein, und man hätte eine feine Teewurst (vegetarisch).
Naja, und die Zutatenliste? Vieles, was an hochverarbeiteten Zutaten Rang und Namen hat. Allerlei Zeug, dass man sich nicht freiwillig ins Essen rührt. Nicht mal das Hühnereieiweiß ist im natürlichen Zustand drin sondern als Pulver, von Verdickungsmitteln und Aromastoffen ganz zu schweigen. Und die wichtigste Werbeaussage ist auch ganz präsent auf der Packung, die wunderbar die neue Qualität des Produktes hervorhebt:
Neue VerpackungDas erinnert mich an einen ehemaligen Testsieger unter den Matrazenherstellern, der mittlerweile nur noch mit “meistverkaufte Matraze” werben kann, was über die Qualität des Produkts aber sowas von gar nichts aussagt. Aber das nur nebenbei.
Fleischwurst wird es also auch in der vegetarischen Variante in Zukunft nicht auf meinen Standardeinkaufszettel geben, immerhin hat es das mit der Fleischversion gemeinsam. Außer, ich entdecke mal was neues auf dem Gebiet. Aber dass ich sowas nicht regelmäßig kaufe, hat auch sein gutes. Meine Ernährungsberaterin hat von Wurst bzgl. der versteckten, meist minderwertigen Fetten – ernährungsphysiologisch gemeint – dringend abgeraten. Zwar gehört Rapsöl auch eher zu den wertvollen Fetten, wenn es denn kaltgepresst ist, aber davon steht nix auf der Packung. Und so sind 14% raffiniertes Rapsöl (auch wegen seiner Geschmackslosigkeit) eher was für die Hüfte und zählt als verstecktes Fett in diesem Industrieprodukt.

4 Gedanken zu „Endlich mal was neues!“

  1. Wenn du sowieso keine Fleischwurst magst, warum testest du sie dann in einer vegetarischen Variante. 🙂 Ich mag z.B. keine Leber und keine Rinderzunge, daher würde ich das auch nie testen, selbst wenn es in vegetarischer Variante auf den Markt kommt – was natürlich sehr unwahrscheinlich ist. 😁
    Ich persönlich liebe Fleischwurst, für mich als Kind war es in meiner Familie früher immer ein kleines Fest, wenn meine Mutter einen ganzen Ringe Fleischwurst gekocht und serviert hat – sei es nun mit Kartoffeln oder auch mal Abends nur mit Brot. Aber auch kalt und aufs Brot geschnitten habe ich nie Nein gesagt. Oder ihr kleiner Bruder, die Knackwurst bzw. ihr noch kleinerer Vetter, das Wiener Würstchen, habe ich als Kind geliebt und mag es heute noch. Obwohl mir durchaus bewusst ist, dass in so einer Wurst einfach alle Reste beim Schlachten möglichst fein zerkleinert und dann in Pelle verpackt werden. Beim Metzger hieß es dann immer: “Hannes! Kehr die Werkstatt, wir wollen Fleischwurst machen.” 😜
    In vegetarischer oder gar veganer (geht das überhaupt?) Variante habe ich sie bisher noch nie versucht. Aber dein Artikel gibt mir die Anregung diese Version von Gutfried auch mal zu probieren. Wahrscheinlich komme ich zu einem ähnlichen Ergebnis wie du, zumal ich ja bekennender Fleischliebhaber bin, aber einen Versuch ist es wert.

    1. Da ist doch keine Logik drin. Ich mag auch kein gewecktes Hackfleisch, und trotzdem mache ich einen Test damit (kleiner Insider: das erste ist durch). 😉
      Wobei: “Ich mag nicht” kann man ja differenzieren. Und es heißt nicht, dass ich es nicht essen würde. Aber wenn ich die Wahl habe, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass ich das andere nehme. Vom gedanklichen Ansatz war Fleischwurst für mich sowas wie eine große Bockwurst oder eine kleine Lyoner. Beides hat sich – vor vielen Jahren bereits – nicht bewahrheitet. Und Bockwurst (zumindest die von meinem Lieblingsfleischer) esse ich noch immer gern. Lyoner ist mir zu nichtssagend, da nahm ich früher dann lieber eine Bierwurst oder was anderes mit Einlagen. Seit mir meine Ernährungsberaterin aber nahelegte, Wurstwaren zu meiden, ist dieses Segment der Aufschnittwurst nicht mehr auf meinem Speiseplan. Und wenn ich doch mal sündige, dann mit einer groben Tee- oder richtig grober Leberwurst.
      Wenn man das Hühnereiweiß durch Erbsen- oder Linseneiweiß ersetzt, gäbe es auch vegane Fleischwurst. Sicher muss da auch noch die Technologie noch walten, um die Konsistenz und Struktur hinzubekommen, aber das wäre der Weg. Allerdings haben sie es mit der Konsistenz und Struktur schon bei der vegetarischen Variante nicht geschafft. Geschmacklich gehts, das Mundgefühl stimmt nicht.
      Was deine erwähnten Wurstvarianten betrifft, sieht man mal wieder die regionalen Unterschiede in der Bezeichnung. Knackwurst gibt es hier auch, nur ist das etwas völlig anderes als bei Dir in der Ecke. Deine Knackwurst kommt unserer Bockwurst recht nahe, während hier die Knacker eher den Mettenden südlicher Gefilde gleichen. Die Knackwürste sind ebenfalls grob gefüllt, aber man kann auch Wurstringe wie bei den Fleischwürsten draus machen, wenn auch der Querschnitt nicht ganz so groß ist. Naja, frei nach dem Motto: Was in Frankfurt “Wiener” heißt, heißt in Wien “Frankfurter”. 😉
      Und noch ein oben drauf: Fleischwurst kenne ich aus meiner Kindheit nicht. Ich würde behaupten, im Osten gab es sie nicht. Zumindest hatten wir sie nie zu Hause. Es gab aber eine Dosenwurst, die so ähnlich schmeckte, aber nicht so hieß. Es war eben nicht alles schlecht in der DDR. 😉

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