Es muss 1993 gewesen sein, als ich meine erste Berührung mit einem Gericht hatte, dass ich auch heute immer noch sehr gern zu mir nehmen würde, wenn ich es in guter Qualität finden könnte. Es war lecker und im Ansatz eigentlich sogar gesund. Ob die Ausführung von damals oder die von heute noch diesem Kriterium entsprechen, bleibt mal dahin gestellt. Es könnte aber gelingen. Das ist aber genau wie beim Hamburger oder einem seiner Abkömmlinge. Die kann man auch sehr gesund und lecker herstellen, aber was einem da gemeinhin speziell durch die Systemgastronomie geboten wird, entspricht diesem Ziel nur teilweise.
Aber zurück zu früher. Und früher war alles besser. Zumindest in dem Fall. Und beim Wurstbrot. Aber das ist eine andere Geschichte. Im hier zu besprechenden Fall steht zwar auch Fleisch im Mittelpunkt, aber wir fangen mal mit den Beilagen an. Dazu gehört ein leckerer Krautsalat, frisch angemacht und doch etwas durchgezogen. Ein paar Gurkenstifte werden in einen gut aiolisierten Knoblauchquark gehobelt, was ihn nicht mehr ganz so anrüchig, aber dafür etwas frischer macht. Ebenfalls, wenn auch nicht ganz so fein, kommen ein paar gehobelte Zwiebelringe mit auf den Teller. Verzichtbar, aber ebenfalls verkannt, sind die frittierten Kartoffelstäbchen, die bei der Verwendung des richtigen Frittierfettes und einer geeigneten Zubereitung die beste und nährstofferhaltendste Verwendung der Knollenfrucht ist. Kurze Garzeiten vereint mit wertvollen Ölen und leckeren Extras machen sie so wertvoll. Mit einer vorfrittierten TK-Fritte schafft man das natürlich nicht.
Kommen wir zum Fleisch. Schweinenacken wird in dünne Scheiben geschnitten und reihum auf einem langen Spieß aufgereiht. Etwas Lamm, Rind kann auch dabei sein, und für eine flugfähige Variante kann auch ein hoher Hühnerfleischanteil verwendet werden. Das Fleisch wird typischerweise mit Salz, Pfeffer, Knoblauch, Oregano, Thymian, Kreuzkümmel, Majoran und Koriander gewürzt. Aber das ist noch nicht alles, weil dann erst der Arbeitsschritt erfolgt, der dem Gericht seinen Namen gibt. Der große Fleischspieß kommt in einen Drehgrill und wird dort gegart. So gibt es außen eine schöne Röstkruste und wenn man es nicht zu dünn abhobelt innen das saftige Fleisch. Im Gegensatz zum Dönerfleisch, dass nebenbei bemerkt im wesentlichen aus Hackfleisch besteht, wird Gyros gröber geschnitten. Und Gyros als Wort leitet sich vom griechischen Begriff von Kreisel oder Runde ab. Ohne das Grillen am Drehspieß gibt es kein Gyros! Das manchmal zu findene Wort “Pfannengyros” ist ein Widerspruch in sich – wie Brateis. Oder Steaklöffel. “Geschnetzeltes nach Gyros-Art gewürzt” oder ähnliches würde ich noch durchgehen lassen. ABER NICHT “PFANNENGYROS”!
Wie komme ich eigentlich auf diese Gedanken? Achja, wir waren essen. Und um Gyros essen zu gehen, ist es ratsam, ein griechisches Restaurant aufzusuchen, in der Region (vielleicht auch überregional) offensichtlich die einzige Chance, Gyros wirklich vom Drehspieß zu bekommen. Oder zumindest ist die Wahrscheinlichkeit dort höher als bei den anderen Anbietern, die das Wort “Gyros” auf der Karte führen.
So sah uns ein sonniger Tag in Richtung eines entsprechenden Etablissements gehen, wenn auch mit einem schnellen und kurzen bedauernden Moment, die vorhandene Terasse nicht nutzen zu können, da sie für Gäste nicht eingerichtet war. Erinnerungen an Familienfeiern auf dieser, wenn auch noch nicht unter der weiß-blauen Flagge, haben die Idee gut gefunden, so ging es also ins Innere. Dort begann alles sehr angenehm: ansprechender Empfang, zügige Bedienung, zeitlich angemessene Bestellung, zügige Getränkelieferung, leckere und frische Vorspeisen. Aber was zeichnet sich da am Horizont ab? Geht man in eine Gaststätte, bestellt 3 Getränke und die werden binnen weniger Minuten geliefert, so gibt es Servicekräfte, die dann noch wissen, wer was bestellt hatte. Ist es ein zu hoher Anspruch, sowas als Standard zu erwarten?
Geografie ist nicht meine Stärke, Aber ich unterstelle mal, dass es in Griechenland auch irgendwo eine tiefe Schlucht oder eine steile Klippe oder etwas vergleichbares gibt. Aber so etwas war es, was sich da wohl abzeichnete, als die Hauptgerichte auf den Tisch kamen. Es ging steil nach unten. Geschmacklich zumindestens. Als gelernte und studierte DDR-Bürger haben wir mal von einem dialektischen(?) Gesetz(?) gehört, in dem folgender Gedanke vorkam: Das Umschlagen von Quantität in Qualität und umgekehrt. Im Restaurant versuchte man es noch mit der Quantität. Gesundheitsgefährend große Portionen kamen an den Tisch, von denen man nach wenigen Happen genau wusste, dass man sich ob des Geschmacks die Reste nicht einpacken lassen würde, was offensichtlich eine gängige Praxis war, wurden doch öfters aluminiumumwickelte Resteschalen durch den Gastraum getragen.
Der Salzgehalt von Speisen ist sicher Geschmackssache, aber beim Gyros waren doch viele Verliebtzeitstränen geflossen. Der Knoblauchquark fing das zwar auf, und man hätte darüber hinwegsehen können, wenn die Getränkeversorgung wenigstens funktioniert hätte. Aber leere Gläser wurden mit gesteigertem Aufwand ignoriert. Ergänzt wurde das ganze durch tranig schmeckende Leber, leckere Lammkoteletts, blonden Pommes, gutem 08/15-Tomatenreis, und zwei Runden Ouzo aufs Haus, einer kalten und einer warmen.
Aber ich will nicht immer so schlecht schreiben. Mir fielen noch ein paar pointierte Bemerkungen ein. Da dieser Text vor der Aufnahme des Podcastes entstanden ist, möchte ich mit einer gewissen Unsicherheit auf den verweisen, vielleicht ist da ja was drin. Auf jeden Fall kommt Martins Blickwinkel dazu. Und ein P.S., auch gleich noch. Dem Restaurant “Hellas” im alten Werderbruch sei ein Wirken des philosophischen Gesetzes gewünscht. Irgendwann schlägt die Menge in Güte um.
P.S.: Thomas postete neulich einen Kommentar beim Herdnerd: Salz ist besonders schmackhaft, wenn man es auf einem gebratenen Steak serviert. Das gilt sicher auf Gyros, aber mit Paracelsus muss man es dann doch auch halten.