War es Zufall, originelle Idee oder einfach nur eine falsch zusammengebaute Speisekarte? Aber wenn man den kulinarischen Katalog öffnet und er beginnt mit der Getränkekarte, dann kann man das auch als Wink mit dem Zaunpfahl verstehen. Wobei: Die Getränkekarte konnte sich durchaus sehen lassen, fand man darin nicht die übliche Mischung sondern auch – neben den Standards – eine Reihe Exoten, die neugierig machen und wiederholte Besuche zum Abarbeiten der geistreichen Getränke nahe legen. Das geht über Gin á la Monkey 47 über Cider bis hin zu hausgemachten Limonaden.
Findet man dann die Speisekarte, zeigt die sich als bunte Mischung zahlreicher, aber übersichtlicher und Genuss versprechender Gerichte. Man soll ja mit Klischees und Verallgemeinerungen vorsichtig sein, aber: da ist für jeden was dabei. Und das in mehrfacher Hinsicht. Die verschiedensten Geschmacksrichtungen werden bedient – auch kasteiende – und auch die Preisbandbreite ist beachtlich. Nehmen wir mal nur die Hauptgerichte (oder das, was man darunter verstehen kann), so kann man für knapp 10€ satt werden, aber auch für knapp 30€. Mittagsgerichte gibt es sogar unter 7€.
Ein schöner Abend nach einem gelungenen Tagwerk brachte uns ins Restaurant. Es fand sich auch noch ein Tisch, und so konnte das Tafeln beginnen. Es war wirklich ein schöner Abend, die Sonne schien von einem wolkigen Himmel und ich saß mit Blick auf unsere Konzertkirche, die herrlichst beschienen wurde. Das sah sehr angenehm aus, sollte sich später aber noch als kleiner Nachteil erweisen. Die anderen hatten eher einen Blick ins Restaurant und konnten so das Ambiente genießen, dass ich nur beim Betreten kurz wahrnahm. Angenehm, vielleicht etwas kühl, aber nicht ungastlich. Leicht irritierend war eher ein Luftzug, der durch die Lüftungsanlage verursacht wurde. Aber ein kleines Stühlerücken löste auch das Problem. Das ist der Vorteil, wenn man an einem runden Tisch Platz genommen hat.
Aber der Service lief, also ging zügig, da es sicher blöd wäre, wenn er wirklich liefe. Die Karten kamen und in angemessener Zeit konnten die Bestellungen für die Getränke und das Essen (wie immer Vorspeise und Hauptgericht) abgegeben werden. Das Timing des Abends konnte als gut zusammengefasst werden: keine übermäßige Wartezeiten, aber auch kein Gedrängel am Tisch. Nur bei der Zubereitung von Mischgetränken muss wohl noch ein wenig geübt werden. Standards und Flaschenware kamen formvollendet an den Tisch. Ich war dabei etwas in Experimentierlaune und genoss mein mir neues Getränk mit einem herrlichen Blick auf den Turm der Konzertkirche, der immer noch von einer, mir nicht sichtbaren Abendsonne beschienen wurde.
Die Vorspeise bekam dann auch ihren Auftritt. Zwei Suppen und ein paar Scheiben Bruscetta erschienen in Servicebegleitung am Tisch. Während die Spargel- (es gab eine Extra-Spargelkarte) und die Tomaten-Papaya-Suppe durchaus mundeten, waren die italienischen Brotscheiben nur ein müder Abklatsch ihres Vorbildes, obwohl sie recht ansprechend, vielleicht etwas überladen aussahen. Aber beim „frisch gerösteten Baguettebrot“ stimmten alle drei Worte nicht. Es schmeckte alt, unter „geröstet“ verstehe ich auch etwas mehr als nur angetrocknet und das Baguettebrot ist vielleicht unter dem Namen gekauft worden, war aber dann eher ein deutsches Baguette, also eher ein Kaviarbrot oder ein in Scheiben geschnittenes Brötchen. Die gehackten Tomaten oben drauf waren süß (Zucker und Salz verwechselt?), das Knoblaucharoma fehlte völlig. Das habe ich beim Italiener schon mal besser gegessen.
Den Hauptgerichten zu eigen war eine angenehme Größe der Portionen. Ob das der gewählten Vorspeise anzurechnen ist oder eher ein Zufall war, lässt sich nach einem einmaligen Besuch nicht einschätzen. Die Portionsgrößen an den anderen einsehbaren Tischen war schon mächtiger, aber es waren auch andere Gerichte. Auf der Karte steht auch ein Ribeye Dry Aged, was ich sehr verlockend finde. Da es aber auch das teuerste Gericht der Karte ist, muss die Küche erstmal zeigen, was sie kann, und so landeten drei andere Gerichte gut untertellert auf dem Tisch: Kalbsleber „Venezianische Art“, auf der Haut gebratenes Zanderfilet und (von der Spargelkarte) Schweineschnitzel an frischem Spargel.
Wer irgendwann mal in Schule, Ausbildung oder Studium mit den Grundlagen der Elektronik zu tun hatte und sich dunkel an den Aufbau von Transistoren erinnert, wird NPN- und PNP-Transistoren zumindest als schon mal gehörte Begriffe wiedererkennen. PNP steht in der Kulinarik aber auch für eine besondere Art von Schnitzel: Paniermehl-Nichts-Paniermehl. Warum ich darauf komme? Ich weiß auch nicht. Aber auf die Idee, aus dem Schweinefilet ein Schnitzel zu machen, muss man erstmal kommen. Warum aber auch nicht, man kann auch edles Rinderfilet häckseln, in Soße ertränken und es Bœuf Stroganoff nennen. Das themenauslösende Schnitzel zeichnete sich durch eine carpacciohafte Dünne aus, dessen Panierung eine industrielle Herstellung nahelegte, was enttäuschte. Über die als „Bratkartoffeln“ bezeichnete Beilage schweigt des Kritikers Höflichkeit, ebenso über die allgemeine Trockenheit des Gerichtetes, die sich in der nachträglichen Auswertung des Essens als Missverständnis bzw. Kommunikationsfehler zwischen Gast und Service herausstellte.
Ob die venezianische Kalbsleber mit ihren Begleitern gut aussah und schön angerichtet war, kann leider nicht beschrieben werden. Zum Zeitpunkt des Servierens hatte die Abendsonne eine Stelle erreicht, die zwar immer noch den Turm der Konzertkirche beleuchtete, mir aber direkt in die Augen schien. So nahm ich das Bild auf dem Teller nur schemenhaft war. Aber wir haben ja durch diverse Berichte aus dunklen Restaurants gelernt, dass ein Nichtsehen des Essens die Konzentration der Sinne auf Geruch und Geschmack bedeutet. So war relativ einfach festzustellen, dass die beigelegten Zwiebeln wirklich mit Marsala zubereitet waren. Nur der namensgebende Knoblauch im Knoblauch-Kräuter-Pürree war sehr dezent. Was dem Püree als solchem übrigens nicht zum Nachteil gereichte, das war auch ohne sehr lecker und erfreulich selbstgemacht. Die Leber war auf den Punkt gegart, saftig, aber nicht „rare“, mit einem Wort: superlecker.
Dezent gewürzt scheint so ein wenig ein Grundkonzept zur Zeit in Neubrandenburg zu sein. An einigen Stellen hierorts werden an sich leckere Speisen angeboten, deren Würzung auf unterstem Level angesiedelt ist. Oder ist Salz oder Chili mittlerweile so teuer, dass man es nur noch wenig einsetzen kann, wenn man die Preise nicht erhöhen will? Das gute ist nur, dass man zumindest nachsalzen kann, wenn denn Salz zur Verfügung steht. Im Imbissbereich sieht das meist schwierig aus, im Restaurant steht eine entsprechende Menagerie auf dem Tisch. So konnte ein wenig nachgeholfen werden. Aber ins Innerste geht die Würzung dann auch nicht mehr. Was soll uns diese Philosophiererei sagen? Am Zander fehlte mindestens Salz. Weitere Details sind mir nicht mehr erinnerlich, die Begeisterung über das Essen hielt sich in Grenzen.
Fassen wir zusammen: Eine ambitionierte Karte in einem angenehmen Restaurant, deren Umsetzung auf dem Geschirr noch etwas Luft nach oben lässt. Das Dry Aged Ribeye-Steak werde ich dort vorerst nicht bestellen, das Risiko ist mir zu groß, dass ich viel Geld für ein nicht perfekt zubereitetes Gericht ausgebe. Aber es lohnt sicher, „Das Krauthof“ öfter mal zu besuchen und die Entwicklung zu verfolgen. Immerhin ist es noch nicht so lange offen, da läuft sich sicher noch was ein.
2 Gedanken zu „Kraut und Rüben“
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