Die menschliche Darmflora besteht aus mindestens 500 bis 1000 unterschiedlichen Arten von Mikroorganismen, deren Zusammensetzung und Auswahl von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein kann. Warum es für diese interne Mikrokulturwelt förderlich ist, genau eine Art von diesen Mikroben von außen oral zuzuführen, wird ein ewiges Geheimnis der Functional-Food-herstellenden Industrie sein.
Der kundige Leser wird erahnen, dass es hier um einen aufgepeppten und teuer verkauften Joghurtdrink geht, der vermutlich genauso wertvoll ist wie ein, nur einen Bruchteil davon kostender Naturjoghurt, der mit einem Löffel Fruchtkonfitüre oder -aufstrich verfeinert wurde. Jetzt gibt es diese Fläschchen übrigens nicht nur in normaler Fruchtaromaausstattung, sondern auch lt. Werbung mit extra Power und richtig viel Vitamin C aus der Acerola-Kirsche.
Werfen wir einen Blick auf die Zutatenliste: Joghurt, entrahmte Milch (also verdünnter Joghurt – der Herdnerd), Zucker, Fruchtsaft aus Konzentrat, Traubenzucker, natürliches Aroma und das zugesetzte Probiotikum. Ein Fläschchen (= 100 g) schlägt mit 75 kcal zu Buche, handelsübliche Cola liefert bei gleicher Menge 44 bis 46 kcal. Ok, ein Teil der Energie kommt vom Fett und Eiweiß im Joghurtdrink. Vergleichen wir also auch noch den Kohlenhydrat- bzw. Zuckeranteil pro 100 g: Trinkjoghurt 12,6/12,3 g – Cola 11,5/11,4 g. Huch, da ist in Cola auch weniger drin.
Natürliches Aroma ist ein schöner Begriff. Nur muss ein natürliches Erdbeeraroma nicht aus Erdbeeren, ein natürliches Pfirsicharoma nicht aus Pfirsichen oder ein natürliches Vanillearoma nicht aus Vanille hergestellt sein. Natürlich sind die Aromen auch, wenn sie aus Schimmelpilzen, Zedernholzöl, Abfällen der Zellstoff-Produktion u.a. stammen.
Wo wir gerade von Früchten reden: Der Fruchtsaft der Zutatenliste ist noch genauer definiert: Ananas-, Pfirsich-, Orangen-, Erdbeer- und Acerolasaft. Alle Säfte sind aus Konzentraten hergestellt, was heißt, dass alle Zutaten, die zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands (also vor der Konzentratherstellung) unerlässlich sind, nicht weiter deklariert werden müssen. Dazu gehört natürlich das entzogene Wasser, und vielleicht ja auch ein paar Stoffe, die gut wasserlöslich sind, oder so empfindlich, dass sie den Konzentrationsprozess nicht überstehen. Vitamin C könnte so ein Stoff sein – wasserlöslich und hitzeempfindlich. Da würde es mich nicht wundern, wenn sich im Joghurtdrink letztendlich künstlich erzeugtes Vitamin C befindet.
Der besprochene Trinkjoghurt enthält lt. Packung 1,5 g Acerolasaft, in dem sich dann 22,5 mg Vitamin C befinden. Der Saft einer halben Zitrone in der Cola erbringt etwa den gleichen Wert. Oder ein schönes Zwiebelmettbrötchen. In vielen Zwiebelmett-Produkten ist Vitamin C (=Ascorbinsäure =E300) ein beliebtes Antioxidationsmittel.
Etwa so groß gedruckt wie die Zutatenliste findet sich noch ein ganz wichtiger und nicht zu wenig hervorzuhebener Satz auf der Verpackung: “Unsere Empfehlung: Achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung und eine gesunde Lebensweise.” Stimmt! Dazu würde es aber reichen, diesen Satz im Supermarkt auf der Verpackung zu lesen. Kaufen und trinken sind nicht notwendig (außer für den Hersteller). Der Abfüller des Produktes steht übrigens in Belgien, Polen und Spanien wäre auch noch möglich gewesen. Es ist doch erstaunlich, was man alles aus einem Etikett erfährt.