Viele Monate war die Speisengastronomie geschlossen und wir wissen, warum. Einige Gastronom/inn/en versuchten sich mittels Lieferdienst, wenigstens ein wenig Umsatz zu generieren, andere nutzten die Zeit für Renovierungen, Erneuerungen oder innere Kontemplation. Aber jetzt sind sie wieder da und bieten Speis’ und Trank den ausgehungerten Gästen an. Der eine oder die andere scheinen aber auch ein wenig aus der Übung gekommen zu sein, teils auf hohem Niveau, teils nicht.
Dieses sonnenbeschienende Mittag gehörte mit zu den auf höherem kulinarischen Niveau. Kross gebratenes Maränenfilet auf grünem Spargel. Lecker, auch wenn es nicht kross war. WO KOMMT EIGENTLICH DIE UNSITTE MIT DER ZITRONENSPALTE HER??? Warum sollte ich ein wunderbar gewürztes Fischfilet mit Zitronensaft aromatisch versauen? Warum sollte ich evtl. krosse, leckere Fischhaut mit dem sauren Saft aufweichen? Es spricht eigentlich alles gegen die Zitronenspalte zum Fisch. War es nicht mal so, dass die Zitrone beim noch rohen Fisch, der vielleicht schon etwas drüber war, wieder Konsistenz ins Fischfleisch gebracht hat? Aber lassen wir das. ich habe jedenfalls die Zitrone ins Wasserglas ausgepresst.
Trotzdem bleibt die Frage: Auf der Karte stand “kross gebraten” (war es nicht). Und dann wird die feuchte Zitrone oben drauf gelegt und beide Filets auch noch gestapelt. Also, da muss noch mal der Tellerinhaltsarchitekt ran. Weil – wie gesagt: Lecker war’s.
Und gleich noch ein Fisch. Wieder die Unsitte mit der Zitrone, aber das Stück Tiefkühlkräuterbutter macht es auch nicht besser. WAS SOLL DAS? Dabei bleibt doch nichts schön knusprig? Denken die Geschirrarrangeure auch mal nach? Beim Erwärmen des Tiefkühlgemüses, dass auch immer irgendwie gleich schmeckt, egal, was dort vereinigt wurde, hat man doch Zeit zum Denken. Die Stampfkartoffeln waren übrigens gut, der Fisch schmeckte gut, auch wenn er im wesentlichen nicht knusprig war. Und nein, die Butter habe ich nicht im Wasser verwertet, die ging in dem Fall zur Hälfte wieder zurück (die immer noch tiefgefrorene Hälfte).
Dieser Teller im Format einer Tortenplatte hat als höchsten Punkt auch ein Kräuterbutterganzgefrorenes, dass formlich bis zum Ende der Nahrungsaufnahme nicht wirklich angetaut war. Hier gibt es zwar keine Zitronenspalte, aber: WARUM GIBT SICH DER KOCH/DIE KÖCHIN ERST SO VIEL MÜHE, DAS SCHNITZEL ZU PANIEREN UND DANN KNUSPRIG ZU BRATEN, UM DANN ALLES WIEDER MIT KRÄUTERBUTTER AUFZUWEICHEN??? Zumal das Schnitzel eigentlich nicht schlecht war. Kein geformtes Pressfleischschnitzel, sondern wirklich eine Scheibe Fleisch, ein milli-μ zu lange in der Pfanne (etwas trocken, aber akzeptabel). Immerhin war die Gemüsemischung nicht die gleiche wie auf dem vorherigen Bild; die gelben Möhren fehlten … Aber es gibt ja mehrere Hersteller von Tiefkühlgemüsemischungen. Bleibt nur eine Frage: Warum wollen uns Gaststätten eigentlich immer mästen? Die Portionsgröße läuft unter Anschlag auf die Gesundheit. Da braucht man sich nicht zu wundern, dass a) Ernährungsberatende vor zu häufigen Restaurantbesuchen warnen und b) die Dessert-Kultur völlig unterentwickelt ist.
Bei diesem Bild möchte ich die Aufmerksamkeit auf die erste Zeile lenken: Pommernrind, Tagliatelle, Gurkenfächer …
Vermutlich habt ihr jetzt eine gewisse Erwartungshaltung …
Kann mir mal bitte jemand die Grundidee des Fooddesigners erklären? Als Besteck gab es dazu übrigens Messer und Gabel. Und nun ihr! Die Tagliatelle, die sich als Spaghetti verkleidet hatten (Oder hatte sie das Küchenpersonal der Länge nach in dünne Streifen geschnitten?), waren übrigens gut gekocht, genau die richtige Al-dente-igkeit. Und das Gulasch war recht geschmackvoll. Dann hört das positive aber schon auf. Während Teile der Spaghetti während des Essens langsam vor sich hintrockneten, war das ein Zustand, den das Fleisch schon längst erreicht hatte. Sowas trockenes habe ich lange nicht gegessen. Das Pommernrind scheint zu den Dörrfleischrassen zu gehören. Nun habe ich ja auch schon das eine oder andere Gulasch zubereitet und es gibt sogar das Grundrezept des “Saftgulaschs”, aber das, was dort auf dem Teller rumlag, war das Gegenteil davon. Die Fleischstücke hätte man beinahe mit einer Parmesanreibe bearbeiten können. Für mich bleibt nur die Erkenntnis, dass einige Küchen in der Region wohl mittlerweile als überbewertet zu bezeichnen wären. Dafür kann das Servicepersonal leider nichts, das übrigens sehr nett war, den Eindruck einer leichten Überforderung aber nicht ganz verbergen konnte.
Resümee (wohlwollend): Die lange Lockdownzeit hat leider ein paar Spuren hinterlassen. Das renkt sich (hoffentlich) wieder ein. Aber manchmal sollten zubereitete Speisen, bevor sie die Küche verlassen, auch mal probiert werden. Oder zumindest angesehen. Und etwas Geist beim Kochen oder Entwickeln von Gerichten wäre auch schön. Aber das wird schon wieder. Hoffentlich.
P.S.: Und Pfannengemüse kann ruhig ein paar Bratspuren enthalten.