Wir können uns alle light tun – Indiz: Vanilla-Cola

Gelesen hatte ich davon vor einiger Zeit schon mal, aber ein Blogfreund wies mich nochmal mit Nachdruck darauf hin, dass es bereits soweit ist. Bekannte Softdrinkhersteller nehmen ihre zuckerüberladenen Getränke aus dem Markt, von einigen Varianten gibt es mittlerweile nur noch die Süßstoffversion. Begleitet wird dies teilweise mit einer Werbeaktion, die vermitteln soll, dass die Light- oder Zero-Versionen den originalen geschmacklich um nichts nachstehen. (Ja, ich stand als Kind auch immer im Tor.) Werbetypisch ist das natürlich nicht wahr. Aber dank der manipulativen Kraft der Werbung verbunden mit der adaptiven Kraft des Geschmackssinns werden wir alles glauben bzw. alle dran glauben.
Die Strategien, unsereins die neuen Limonaden schmackhaft zu machen, sind durchaus verschieden. Während der eine große Hersteller mit einigem Tammtamm trommelt, ist es mir vor einiger Zeit bei der Zitronenlimonade des anderen Herstellers geschmacklich aufgefallen. Der hat „klammheimlich“ die Rezeptur geändert und Teile des Zuckers durch Steviasüße ersetzt (zumindest zu dem Zeitpunkt, als ich es bemerkte). Die dadurch vorhandenen Fehlaromen führten dazu, dass ich seither diese Limo nicht mehr kaufe. Zumal ich auf Empfehlung einer einzelnen Dame sowieso dazu übergegangen bin, alles zu verschorlen, kommen eher die hochwertigeren Limos in die Sprudlerflasche mit dem Sprudelwasser. Früher habe ich das auch gern mit der Zitronenlimonade („Ein Hoch auf die 7!“) gemacht, aber dieses Steviazeuch schmeckt nicht!
Vermutlich könnte man sich an die Fehlaromen durchaus gewöhnen. Wenn man viel davon trinkt, mag das funktionieren. Neben dem Geruchssinn, der ja sowieso auch für die meisten Geschmacksempfindungen zuständig ist, die über süß, sauer, salzig, bitter und umami hinaus gehen, ist es auch der Geschmackssinn, der sehr adaptiv ist, sich also an Gegebenheiten anpasst. Spätestens beim Geruchssinn kann man es leicht nachvollziehen oder riecht jemand seinen eigenen Körpergeruch morgens gleich nach dem Aufstehen? Oder: Habt ihr ein Lieblingsparfüm, dessen Duftintensität, je öfter ihr es nutzt, immer mehr nachlässt? Das ist zum wesentlichen Teil auf die Adaption des Geruchssins zurückzuführen. Und das erklärt auch die Duftbomben, die man immer nur bei anderen feststellt, und die wirken, als habe der/die andere im Eau de toilette gebadet.
Schauen wir wieder auf die Softdrinks. Da gibts einen Hersteller, der seine Cola nicht nur als normale Cola, sondern auch als Light, Zero, coffeinfrei, coffeinfrei zero usw. verkauft, sondern auch mit Geschmacksbeimengungen Kirsche und Vanille. An erstere komme ich irgendwie nicht ran, deswegen möchte ich den Schwerpunkt mal auf die korrekt als „Vanilla“ bezeichnete Sorte lenken. Das „a“ am Ende deutet übrigens ganz im allgemeinen darauf hin, dass von Vanille nichts, aber auch gar nichts da drin ist. Gilt auch für andere Nachrungsmittel. Und damit es auch ein guter Test wird, machen wir einen Vergleichstest.

Ja, ich habe sie beide. Und ich habe sie gleich behandelt. Zur gleichen Zeit in den Tiefkühler gelegt, gleich lang dort belassen, in gleiche Gläser gefüllt und dann, schön eiskalt probiert. Die Firma hatte ja mal einen Spruch, dass man das Getränk bei 3°C trinken soll. Das ist auch sinnvoll, da das Geschmacksempfinden für Zucker/Süße temperaturabhängig ist. Deswegen sind auch die meisten Softdrinks bei Zimmertemperatur geschmacklich völlig überzuckert, die müssen kalt sein, damit sie im Ansatz schmecken können. Richtig kalt.

Fangen wir mit was positivem an. Die zuckerfreie Variante hat 0,3 kcal/100 ml. Die zuckrige haut mit 46 kcal/100 ml voll ins Kontor. Das ist mehr als im Original ohne besonderen Geschmack, wo „nur“ 42 kcal/100 ml enthalten sind. Ein Jammern auf hohen Niveau. Den gleichen Energiegehalt wie die Vanilla-Cola hat zum Beispiel Traubensaft, bei der Original-Cola kann man Orangensaft als Äquivalent nehmen. Rein energetisch.
In der eiskalten Version – die Kohlensäure muss wie kleine feine Nadelstiche auf der Zunge wirken – ist der geschmackliche Unterschied der beiden gar nicht so groß. Das ändert sich aber mit der zunehmenden Erwärmung und es muss dazu nicht mal Zimmertemperatur werden. Schon bei Kühlschranktemperatur ist das Fehlaroma durch die Süßstoff spürbar. Steigen die Getränketemperaturen weiter, wirds beinahe eklig. Beim Einschenken gibt’s noch einen Unterschied: Die Süßstoff-Version bildet stabilere Schäume aus.
Zwei wesentlichen Aufgaben hat die Getränkeindustrie zu lösen: Die Süße aus Zucker ist rund, sie kleidet den Mundraum aus und sie ist genießbar. Bei Süßstoffen ist die Süße spitz, die Süßrezeptoren werden stimuliert, aber ein schönes Mundgefühl will sich nicht einstellen. Hier muss dran gearbeitet werden. Der zweite Aspekt liegt tiefer. Wenn unsere Verdauung bemerkt, jetzt kommen kohlenhydrate, weil, es schmeckt süß, dann stellt sie sich auf diese ein. Wenn die – bei Süßstoffen – aber nicht kommen, braucht es nicht viel Phantasie, wenn man sich ausmalen will, was dann passiert. Die appetitanregende Wirkung von Süßstoffen ist zwar nicht unbedingt 100%ig nachgewiesen, es gibt aber nachdrückliche Hinweise darauf, dass es sie gibt.
Wäre es nicht – wenn man sowieso schon an den Rezepten schraubt – nicht eine Idee, nicht nur den Zuckergehalt sondern auch das Süßeniveau zu reduzieren? Zugunsten anderer Aromen? Bei den meisten süßen Produkten überdeckt doch die übermäßige Zucker- oder Süßstoffbeigabe nur, dass sie sonst eigentlich nach nichts schmecken.