Ziellos essen

Es gibt da eine kleine Seite in diesem Webangebot, die sich mit empfehlenswerten Restaurants der Region befasst. Eigentlich listet die Rubrik „Herdfluchtziele“ nur ein paar Highlights auf, die so bei meinen kulinarischen Rundreisen positiv aufgefallen sind.
Nun war ich mal wieder in einer dieser Örtlichkeiten essen – voll Vorfreude. Der Service war freundlich, die kalten Getränke waren gut, wenn auch nicht uneingeschränkt. Der Keks zum abschließenden Espresso/Cappuccino-Gang war lecker, aber zugekauft. Der Rest war grausam: verölt, versalzen, schal, pampig, totgebraten trocken, bitter, alt, farblich eigentümlich usw. usf.
So musste ich die Lokalität leider von der Liste streichen. Zur Zeit nicht mehr empfehlenswert. Schade.
Damit sind auch meine Beiträge über das Lokal hier und hier nicht mehr aktuell und überholt.

Gewitter über Land und Meer

Grau sah es aus an diesem Novembertag, als die Reise auf Deutschlands sonnenscheinreichste Insel ging. Das Wetter verhöhnte diesen Slogan nach Kräften, es hätte nicht verwundert, wenn auch noch Schneegriesel gefallen wäre oder von irgendwoher ein Donner grollte. Kollege Volksmund ist da ja immer mit Tipps parat, auch wenn diese sich mittlerweile überholt haben bzw. auch als falsch nachgewiesen sind. Das gilt im Gewitterfall auch für den Spruch: „Eichen sollst Du weichen, Buchen sollst Du suchen.“ Zumindest auf den ersten Teil des Satzes sollte man manchmal doch öfter hören.
Neben vielerlei Badespaß bietet Usedom dem, der zu gehen, hören, schmecken, sehen, fühlen und spüren fähig ist, allerlei Zerstreuung, Anregung und Betätigung. So verschlug es zwei hungrige Autofahrer in den Süden der Insel. Da das Kulturprogramm wegen Geschlossenheit ausfiel, wurde der niedergehende Nieselregen schnell durcheilt, um dem Ziel der Atzung näher zu kommen. Der Einzug in ein Hotelrestaurant geschah zügig und nicht unbeobachtet, so dass der Service seine Tätigkeit aufnehmen konnte.
Bei diesem Aspekt des gastronomischen Erlebnisses können wir gern ein wenig verweilen, da hier (und nur hier) der positive Teil dieser Geschichte stattfindet. Wohldosierte Aufmerksamkeit dem Gast gegenüber war verbunden mit einem angenehmen, vielleicht etwas ange- aber auf keinen Fall verstaubten Ambiente. Der Gast hatte die Wahl, Getränke gleich oder erst nach dem Studium der Karte zu bestellen, leere Gläser und Flaschen wurden bemerkt, das Besteck entsprechend der Bestellung gerichtet. Und, um das Ende mal vorweg zu nehmen, auch das Ding mit dem Espresso und Cappuccino klappte beinahe makellos, auf jeden Fall besser als in JEDEM(!) anderen bisher besuchten Lokal. Auf die Bestellung je eines doppelten Espressos und eines Cappuccinos kamen die Getränke auf kleinen Tabletts und der Espresso war automatisch ergänzt durch ein kleines Glas Wasser und ein Zuckerdöschen. Das hätte ich mir auch für meinen Cappuccino gewünscht. Aber man hilft sich als Gast gern gegenseitig aus. Das kleine Manko: Zumindest der Espresso unter dem Milchschaumhäubchen hätte durchaus etwas aromatischer und kräftiger sein können. Aber auch das ist Geschmackssache.
Der Besuch fiel zufällig in die 9. Usedomer Wildwochen und so war die Hauskarte durch eine kleine Wildspeisekarte ergänzt. Drei Wildgerichte und eine Suppe standen zur Auswahl, und auch die normale Speisekarte führte das eine oder andere Wildgericht auf. Die Usedomer Waldpilzcremesuppe, eine (unvermeidliche) Soljanka, einen Burger Helbut und Wildschweinmedaillons mit einem Kartoffel-Birnen-Gratin, Gemüse-Julienne und Soße standen neben ein paar Getränken am Ende auf der Rechnung und vorher auf dem Tisch. Die Soljanka war mit Ausnahme der eben gemachten Aufzählung nicht weiter erwähnenswert. Die Waldpilzcremesuppe allerdings war das schleimigste und die Pilze darin das fehlaromatischste, was ich bisher erlebt habe. Man konnte den falschen Eindruck haben, dass über die Pilze vor dem Trocknen noch eine Schnecke rübergelaufen ist, die aber später mit verarbeitet wurde. Warum keine frischen Pilze verwundet wurden – habe ich nicht gehört, wir hätten gerade eine hervorragende Pilzsaison? – wird ein ewiges Geheimnis der Küche bleiben.
Während man sich an den Suppen noch beinahe die Zunge hätte verbrühen können, bestand diese Gefahr bei den Hauptgerichten nicht mehr. Vielleicht waren sie schon vor den Suppen fertig? Man weiß es nicht. Der Wildburger Helbut bestand aus einem großen blonden Sesambrötchen, dass mit gesprengtem Eisbergsalat, Tomatenfragmenten, angebratenem und dann kochend gegartem Wildfleisch und einer cremig-süßen Soße (ich dachte erst, es wäre eine Cocktail-Soße, aber es muss irgendwann mal eine Preiselbeere vorbeigelaufen sein) belegt war. Das Wildfleisch war kein Burger (also Hackfleisch) im klassischen Sinn, sondern war nur in dünne Scheiben geschnitten und „verrückt“ auf den Salat geschichtet. Das Wort „verrückt“ entstammt übrigens der Speisekarte.
Zum Helbut gab es ein Kännchen Bratensoße, einer aromatischen, aber dünnen, eher an Brühe erinnernden Flüssigkeit, die so schmeckte, als ob das im Burger befindliche Fleisch darin gegart wurde. Es könnte auch sein, dass das Fleisch so schmeckte, als ob es in dem Fond gegart wurde, aber das wäre ja fast das selbe. Während man beim Italiener gern mal Brot zum Essen dazu bekommt, um letzte Tropfen leckerer Soße damit vom Teller zu bekommen, war der Inhalt des Kännchens dazu da, über das Burgerbrötchen geschüttet zu werden. Wenn jetzt aber diese nur sehr zart angetoastete sesambestreute und aufgeblasene Mehlwatte mit Flüssigkeit in Berührung kommt, weiß jeder, was damit passiert. Statt des Handwerkerspruches „Nach fest kommt ab.“ gilt hier „Nach feucht kommt Matsch.“ Ursprünglich wollte ich auch nur das Fleisch mit der Soße überschütten, aber die Bauart des Burgers ließ es nicht zu, war doch die cremige Burgersoße nicht unterhalb des Fleisches – wie es sich gehört – sondern obendrauf.
Zart und weich, so war das Burgerbrötchen und auch das Fleisch im Burger. Die Wildschweinmedaillons auf dem anderen Teller waren es nicht. Eigentlich ist sowas ja das feinste vom Tier. Das Filet wird in dicke Scheiben geschnitten, die werden sanft plattiert und dann kurz gebraten. Würzung nicht vergessen. Was aber hier als Medaillons auf den Teller kam, war an Zäh- und Festigkeit kaum zu übertreffen. Das Haus hat übrigens gutes Besteck, was in dem Zusammenhang positiv erwähnt werden sollte. Damit hier nicht nur negatives steht. Vielleicht kommentiert auch der Esser mal, ob er am nächsten Tag Kaumuskelkater hatte. Eine schöne Trainingseinheit für markante Gesichtszüge war der Verzehr der Filetscheiben auf jeden Fall.
Auch der Rest der Tellerauflage bekleckerte sich nicht mit Ruhm. Bei Wein und anderen Getränken gibt es bekanntermaßen eine empfohlene Trinktemperatur. Bei Wildfleischgerichten sollte es sowas auch geben, bei den Gerichten war sie auf jeden Fall nicht erreicht (und gerade Wild lebt von ein wenig Temperatur). Aber auch das Kartoffel-Birnen-Gratin half da nicht dem Wohlempfinden auf die Sprünge.
Im großen und ganzen kann man in diesem Fall nur froh sein, dass die Usedomer Wildwochen am Tag des Erscheinens dieses Artikels ihren letzten Tag haben. Es bleibt zu überprüfen, ob die Gerichte der normalen Speisekarte besser beim Gast ankommen als die von der Spezialkarte. Ansonsten gilt für den Gasthof „to’n Eikbom“ in Dargen auf Usedom: „Eichen sollst Du weichen …“ (Volksmund).

Wo das Pferd beim Essen auf den Teller … guckt

Ist es wirklich interessant, Pferden beim Essen zuzuschauen? Nun ja, vielleicht ist die Frage auch nur missverständlich bzw. uneindeutig gestellt. Wagen wir also einen zweiten Versuch: Ist es wirklich interessant, beim Essen Pferden zuzuschauen? Warum nicht, solange sie nicht undeklariert auf den Teller kommen. Man muss übrigens kein Pferdefreund sein, um auf der schönen Insel Usedom gut zu essen, aber es könnte durchaus etwas helfen.
Usedom, Deutschlands sonnenscheinreichste Insel, lädt mittlerweile mit allerlei Attraktionen Urlauber und Erholungssuchende zu sich ein. Das ganze Brimborium ist für Naturliebhaber nicht unbedingt erforderlich, findet er doch in der Gegend selbst genug erkundens- und genießenswertes (noch). Die touristischen wie kulinarischen Hochburgen scheinen auf der südlichen Inselhälfte konzentriert zu sein, Heringsdorf, Ahlbeck, Bansin, Koserow werden gern und oft aufgezählt. Mitnichten! Auch der Norden bietet Labsal und Zerstreuung auf allerlei Niveau, wenn man nur rechtzeitig von der B111 nach links abbiegt, hat man die Insel über Wolgast erreicht.
Gängiger Punkt für dieses Abbiegen ist der Abzweig in Bannemin, wo einen die Straße schnurstracks nach Trassenheide leitet; aber auch schon der vorher liegende Abzweig nach Mölschow führt, dortselbst eine Modellbahnausstellung streifend, mitten in den Ort. Verlässt man diesen in nördlicher Richtung, wird man links der Straße eines Reiterhofes gewahr, der aber nicht nur Pferden Kost und Logis bietet, sondern auch Reitern und anderen Menschen, deren Versuch zu reiten den Tierschutz auf den Plan rufen könnte, dies zu unterbinden, Atzung und zeitweise Wohnung verheißt.
Das Hotel-Restaurant empfängt den Gast dreigeteilt. Hat man die Rezeption rechts hinter sich gelassen, wird man vom hellen und freundlichen Hauptraum erwartet, von dem ein etwas dunkler wirkender Gastraum und ein lichtdurchfluteter Wintergarten abzweigen, der naheliegenden Ausblick auf spielende Kinder und Pferde sowie weiterliegenden auf Landschaft ermöglicht. Das Erscheinen des Gastes bleibt vom Service nicht unbemerkt, so dass man zügig, aber ungehetzt, mit Speisekarte und Sitzplatz versorgt ist. Der Menüplan verspricht gutbürgerliches, die Online-Variante ist aber nicht aktuell.
Aufmerksamkeit ist eine der Qualitäten, die man dem Service positiv attestieren kann. Er hat sogar einen eigenen Charme, den man aber erlebt haben muss, um ihn wirklich zu begreifen, Worte allein reichen dafür nicht. Vor allem die Hotelgäste werden ihn spüren können, reine Restaurantgäste können ihn höchstens erahnen (die Gefahr für’s Missverstehen besteht). Lässt man sich drauf ein, macht es aber Spaß, so umsorgt zu werden. Leere Getränke wurden bemerkt und auf Nachfrage erneuert, Speisen wurden zielgenau abgesetzt.
Womit wir beim wichtigsten Thema wären. Die vorspeisliche Fischsuppe war lecker, die unvermeidliche Soljanka – diesmal in einer nichtsauren Variante – ebenso. Da fiel es nicht schwer, das leicht angealterte Salatblatt im Beilagendreierlei mit dem Tomatenachtel und der halber Gurkenscheibe zu übersehen. Zu den Hauptgerichten gab es Bratkartoffeln der etwas rustikaleren Art: gröber als gewohnt geschnitten, aber dadurch nicht minder wohlschmeckend, wenn sie einen Moment länger in einem geeigneten Bratwerkzeug mit weniger Fett verweilt hätten, um die angenehme Knusprigkeit zu erreichen, die ihnen eigen sein sollte, egal, wie sie geschnitten sind. Die selbstgemachten sauren Bratheringe können genauso empfohlen werden wie die Kutscherpfanne und die anderen auf der Karte vorhandenen Gerichte.
Während es bei anderen Restaurants ein Überfluss an Rucola gab, schwabbten hier zwei Ingredienzien – wenn auch nicht ganz so viel – über ein gutes Maß hinaus. Das Salatbouquet bekam einen so ordentlichen Schuss fruchtiges Dressing, dass Teile des Hauptgerichtes davon in Mitleidenschaft gezogen wurden. Was aber den Koch bewog, den Feldsalat beim Brathering auch noch mit einem Kaviar zu verzieren, wird sein Geheimnis bleiben, ging dieser unter der Vinaigrette geschmacklich völlig unter. Weniger ist eben doch manchmal mehr, das bezieht sich auch mal wieder auf die Menge der Sättigungsbeilage. Der zweite Überfluss lag in anderen schwarzen Kügelchen. Zur Würze sind Piment und Pfeffer sowohl bei Suppen als auch würzigen Bratheringen wichtig; auf des Gastes Teller bzw. in seiner Schüssel haben sie aber nichts zu suchen, kann ein unbeabsichtigter Biss darauf doch den gesamten Genuss vermiesen.
Aber dies waren auch nur Details, die den sehr angenehmen Gesamteindruck nur unmerklich verschlechterten. Zumal der Service DEN Abschlusstest mit Bravour bestand, fast ein wenig wider Erwarten, dafür aber zu umso größerer Freude. Die das Essen finalisierende Bestellung lautet: ein doppelter Espresso und ein Cappuccino. Klingt einfach, aber wirklich richtig bekommt man das nur selten. Im Reit- und Freizeithotel Friesenhof kurz hinter Trassenheide kam dieses stärkende Doppel in umfassender Perfektion auf den Tisch, nur die Schokolade an einem der beigelegten Kekse war ein wenig angeschmolzen. Irgendwodran muss man schließlich rumnörgeln. 😉