Der Name Gyroskop kommt als Wort ja aus dem griechischen (γύρος „Drehung“ und σκοπεῖν „sehen“). Gyrokopter sind sogenannte Drehflügler, die im Gegensatz zum Hubschrauber zwar einen Rotor oben haben, der Antrieb erfolgt aber durch einen Propeller oder etwas ähnliches. Der Rotor hat keinen Motor. Aber die flugtechnischen Gedanken führen etwas vom Thema ab. Setzen wir uns also in das Fluggerät, mit dem Gyroskop am Auge, also mit dem Drehfleischsucher, und entdecken griechische Speise.
Das ist, wenn man gewisse Qualitätsansprüche unterstellt, gar nicht so einfach. Zweimal luden in der letzten Zeit entsprechend gastliche Stätten zur Einkehr ein, und, um das Ergebnis vorweg zu nehmen, es wird bei den jeweils einmaligen Besuchen wohl auch bleiben, wenn auch aus völlig verschiedenen Gründen. Vernünftiges Gyros ist in der Region augenscheinlich Mangelware, wo bei es, wäre es wirklich durch eine Mangel geraten, Dönerfleisch nicht unähnlich geworden wäre.
Verkehrsgünstig gelegen ist das griechische Restaurant in Prenzlau: Es hat seinen eigenen Bahnhof. Ob es daran lag, dass das Gyros ein bisschen so aussah, als ob es mehrfach überfahren, war nicht nachzuprüfen. Gut gesprengt war es jedenfalls. Während die Aromen durchaus anzunehmen waren und die herzliche Atmosphäre fast schon ins Intime ging (Ringelpitz mit Anfassen), war die Konsistenz des griechischen Fleischgerichtes entweder völlig vom Weglassen eines Drehspießes bestimmt, oder man hat sich große Mühe gegeben, das im nachhinein zu kaschieren.
Völlig anders zeigte sich das Gyros im griechischen Restaurant in Weisdin. Die Struktur erinnerte schon eher an das, was man erwarten kann. Erfreulich war auch zu nennen, dass die manchmal doch etwas sperrigen Gemüsezwiebelringe fehlten, die anderswo wohl zur Standardausstattung gehören. Auch war das gesamte Gericht sehr ausgewogen gewürzt: Was den Pommes an Salz fehlte, war dafür im Fleisch überreichlich vorhanden. Vielleicht machte es auch dadurch einen etwas angetrockneten Eindruck, hat Salz doch eine hygroskopische Wirkung.
So bleibe ich weiter auf der Suche nach einem Laden – mittlerweile muss es auch kein Imbiss mehr sein – der ein geschmackvolles, leckeres Gyros anbietet. Mit der Frage nach einem entsprechenden Laden hat ja mal der Blog „RundumGenuss“ beinahe angefangen … Es war der 4. Artikel überhaupt.
Kategorie: Herdflucht
Das Eckige liegt am Runden
Wenn ich mir einen Wirt vorstellen sollte, wüsste ich das nicht so richtig in Worte zu fassen. Aber es gibt einen Ort, der einen Wirt hat, wie ich ihn mir vorstellen könnte. In einer gelungenen Mischung aus klassischem und modernem, dass viele Möglichkeiten der Nutzung bietet. Damit war jetzt auch die Klause selbst gemeint, eine Mischung aus Bar, Restaurant und Erlebnisgastronomie.
Augenmerk liegt natürlich auf der Speisekarte und den kulinarischen Möglichkeiten. Das Menüblatt bietet eine Vielfalt an Gerichten, von kleinen Tapas über einfache Gerichte wie Bauernfrühstück bis zum argentinischen Rumpsteak. Lachs, Huhn, Suppe, Pasta – man möchte fast sagen, dass für jeden Geschmack etwas dabei ist. Und wenn der Selcher des Schinkens nicht so verliebt gewesen wäre bzw. der Koch in der Küche von dieser Verliebtheit gewusst und weniger Schinkenwürfel verwendet hätte, würde ich sagen: Ich habe die besten Bratkartoffeln meines Lebens gegessen. So waren sie leider getränkeumsatzfördernd gesalzen.
Ein gutes Steak dauert 30 Minuten – das habe ich neulich bei einer Kochschule gelernt. Der Spruch ähnelt dem mittlerweile widerlegten „Ein gutes Pils dauert 7 Minuten“. Im konkreten Fall kam es schneller auf den Tisch. Leider waren die Lichtverhältnisse nicht dazu geeignet, mit der Handycam das Essen abzubilden, aber es sei gesagt, dass jeder Teller samt Inhalt, den ich sah, sehr lecker und ansprechend aussah. Das Fleisch war proforma perfekt medium, aber es hätte wohl noch einen Punkt perfekter werden können.
Für ein Restaurant war die Atmosphäre vielleicht etwas kühl, für eine Bar der tresenbestückte Raum etwas groß, zum guten Essen aber kann man ins „Live am Ring“ gehen, der Service fiel auch eher angenehm auf. Für Events mit vielerlei Coleur scheint es sehr geeignet.
Alles ist irgendwann mal das erste Mal
Manchmal muss man auch mal ausgetretene Wege verlassen und sich umsehen. Und wer gern mal kocht, kann sich zur Anregung auch mal fortbilden, zum Beispiel in einer Kochschule. Neulich durfte ich an einer Schnupperstunde (naja, mit Essen und allen Vorführungen waren es doch 4 oder 5 Stunden) teilnehmen, wobei klar wurde, dass ein richtiger Kurs, der auch etwas bringen soll, sicher länger dauert.
Der Koch eines Rostocker Restaurants gab sich in der Showküche eines benachbarten Küchenstudios die Ehre und gab eine Probe unter dem Motto: „20 Leute mit wenig Stress verköstigen“ ab. So, wie er es vorführte, war es für beinahe jeden auch in normalen Küchen nachvollziehbar, wenn denn genug Geschirr und Sitzgelegenheiten zur Verfügung stehen. Als Vorspeise gab es einen kleinen gemischten Salat mit einem sehr leckeren Dressing auf Himbeeressigbasis, wobei die Betonung auf Himbeer und nicht auf Essig lag. Dazu zwei leckerste Shrimps und eine Jakobsmuschel.
Kleines Manko, dass sich durch den gesamten Abend zog: Der Koch versuchte offensichtlich, die Arbeiten möglichst einfach aussehen zu lassen. So kochte er mit sehr viel Laissez-faire. Etwas mehr Aufmerksamkeit, die er im Restaurant sicherlich/hoffentlich dem Essen zuwendet, hätte an einigen Stellen gut getan. So war das Mehl, dass die Jakobsmuschel zart ummanteln sollte, doch etwas großzügig klumpig. Das tat dem Genuss des eigentlichen Meeresgetiers aber keinen Abbruch – außen röstig knusprig, innen cremig schmelzend.
Das Hauptgericht bildete Entenbrust an Kürbisgemüse. Alternativ wurde Kalbsrücken angeboten. Verbunden mit vielen Tipps rundum den Fleischkauf und der Vorbereitung, allerdings ohne naheliegende Bezugsmöglichkeiten für dry-aged-Rindfleisch, gab es einiges zu lernen. Der Vorteil von gut abgehangendem Beef liegt auf der Zunge. Ich „kenne“ zwar einen Fleischer, der sowas anbietet, aber der hat sein Geschäft leider außerhalb meines Einkaufsbereichs. Und dem Versand von Frischfleisch per Paketservice stehe ich noch kritisch gegenüber.
Zurück zum Hauptgericht. Was die Zubereitung von Fleisch betrifft, gibt es viele Zubereitungsphilosophien. Letztendlich führen viele Wege nach Rom, wie der Kollege Volksmund so schön sagt. Die Entenbrust und der Kalbsrücken wurden in der Pfanne schnell und heiß angebraten, dabei gewürzt und dann bei ca. 120°C Umluft im Backofen versenkt. Kerntemperaturthermometerüberwacht wurde es dort so lange gelagert, bis das Messgerät 56°C anzeigte. Auf diese Temperatur (wohl dem, der einen Ofen hat, mit dem das geht) wurde dann auch zurück geregelt und das Fleisch weiter im Ofen gelagert. Das ginge zur Not stundenlang, war eine entsprechende Auskunft.
Aus den Fleischabschnitten, Rotwein, Gewürzen, Crema Di Balsamico, Fond und anderen Zutaten wurde eine wohlschmeckende Soße bereitet, wobei das schiere Fleisch aus dem Abschnitten zusammen mit etwas von dieser Soße sehr gut als Ragout oder Gulasch durchgehen könnten. Der Kürbis wurde gewürfelt, in der Pfanne angeschwitzt, gewürzt und war anschließend weit entfernt vom gehassten süß-sauren Exemplar aus meiner Jugend.
Pro Teller wurde ein dreiviertel Löffel Soße verteilt. Und das in Mecklenburg! Da fehlt doch noch was!
So muss ein Teller aussehen, dass es schmeckt. Etwas mehr Soße und … nein, keine Kartoffeln! Die beiden Nockerln bestehen aus Polenta, gekocht mit einer Milch-Brühe-Mischung, vollendet mit Butter und Parmesan. Mmmmh.
Die Ente (auf dem Teller zu sehen) und der Kalbsrücken waren wunderbar rosa gebraten und saftig. Irgendwie waren das aber auch die beiden einzigen nennenswerten Eigenschaften des Fleisches. Etwas mehr Liebe und etwas weniger Show hätten hier sicher gut getan. Aber die Grundidee war wirklich gut. Vielleicht sollten ich wirklich mal ernsthaft an so einem Kochschulkurs teilnehmen, spätestens neue Ideen und vielleicht noch etwas mehr handwerkliches Geschick könnten schon gut tun.
Touristischer Irrtum
Einer der kulinarischen Standards, die es so gibt, ist das Wiener Schnitzel. Eine dünne Scheibe bestes Kalbfleisch wird mit Mehl, Ei und Semmelbrösel paniert und dann in Butterfett ausgebacken. Dazu gibt es knusprige Bratkartoffeln, etwas Zitrone und (Gurken-)Salat. Ein an sich einfaches Gericht, das sehr schwer so ganz richtig hinzukriegen ist. Es lebt von der Qualität seiner Zutaten, wenn es schmecken soll, und der richtigen Zubereitung. Deswegen habe ich auch noch nie ein richtiges Wiener Schnitzel gegessen. Ein paniertes Schweineschnitzel heißt im Ideal „Schnitzel Wiener Art“, es ist etwas robuster, aber in der Herstellung ähnlich filigran wie das namensgebende Vorbild mit Kalb.
Wenn man in unbekannter Gegend auf der Suche nach einer guten Quelle leckerer Speise ist, sollte man den Einheimischen hinterher gehen. Die wissen, was gut ist und wo es das gibt. In touristischen Gegend ist dieses Vorgehen schwierig, weiß man doch nicht, ob die Leute, denen man folgt, Einheimische oder Touristen sind. Und eigentlich hätten uns die Schilder mit den werbenden Hinweisen auf preisgünstige Cocktails, preisgünstiges Eis oder billiges Frühstück stutzig machen müssen. Auch las sich die aushängende Fischkarte eher nach Systemgastronomie als nach Kochkunst. Aber manchmal will man die Anzeichen ja auch nicht sehen. Der Blick über die Müritz, die angenehme Außenatmosphäre und der nicht zu hohe touristische Andrang brachten zwei Müßiggänger dazu, in dunkelgrauen Korbstühlen Platz zu nehmen und Atzung zu ordern.
Fangen wir mit dem positiven an: Der Präsentation. Bestellt war ein „Schnitzel Wiener Art mit Pommes“.
Und das nicht so positive: Alles andere. Dröges Schnitzel, dröge Pommes, dröger Krautsalat. Das Getränk war zur Bewältigung der Nahrungsaufnahme dringend notwendig, da die dezente Würzung der Speise auch keinen wirklichen Speichelfluss im Mund provozierte. Das schien aber Grundprinzip beim Warener Schnitzel-König zu sein, der panierte Fisch an Remoulade mit Pommes auf dem Nachbarteller wies die gleiche Eigenheit auf. Convenience-Essen zur Massenabspeisung. Über die Qualität scheint man nicht mehr an die Kunden zu kommen, also probiert man es über die Preise. Kein guter Weg.
Wenn sich der Durchschnitt im Mittelmaß verliert
Wenn man einen Ausflug macht, kann man an dessen Scheitelpunkt auch mal in eine sogenannte Ausflugsgaststätte einkehren. Das dachten sich zwei hungrige Kurzreisende in der Gegend, wo Mecklenburg, Vorpommern und Brandenburg nicht weit auseinander liegen und wo man einen schönen Blick über die herrliche Landschaft erheischen kann; entweder, in dem man sich in ihr fortbewegt oder auf einen entsprechenden Hügel kraxelt.
Die Gaststätte bietet in angenehmen Ambiente oder im Wintergarten zeitlich streng sortierte Mahlzeiten an. Für den abendlichen Gast, der aber auch nicht zu früh erscheinen darf, hält die Karte eine angenehme Vielfalt an Speisen bereit. Schwein, Wild, Fisch und Rind sind genauso vertreten wie Salat mit einer frei wählbaren Beilage, von Straußensteak bis Backkartoffel. Die Küche darf, von ihrem Anspruch an sich selbst, durchaus ambitioniert genannt werden, gibt es nicht nur das übliche Beilagen-Einerlei, sondern auch tonierte Kräuter-Kartoffeln oder Jasminreis.
Fernöstlich angehaucht war auf dem Teller dann auch das feine Gespinst frittierter Reisnudeln, die nicht zu den Bratkartoffeln passen wollten. Die feine Knusprigkeit, die das filigrane Gebilde normalerweise auszeichnet (wenn es frisch zubereitet ist), war einer abgelagerten Mehligkeit gewichen, die wunderbar zur etwas schleimigen Konsistenz der Pilzsoße passte. Lachs- und Wildsteak waren gut zubereitet, was aber keine hohe Kochkunst ist. Im Durchschnitt waren beide Gerichte und ihre Beilagen gut gesalzen, der Nachteil an der Salzverteilung war nur, dass es sich ausschließlich auf einem Teller konzentrierte. Der Eindruck der zerstreuten Küchenfachkraft bestätigte letztendlich auch das Fehlen noch auf der Speisekarte angegebener Zutaten, die aber anstandslos nachgeliefert wurden.
Das Manko auf dem einen Teller bemerkte der Service zwar nicht selbstständig, da aber auch eine Speisekarte am Tisch vergessen wurde, hatten die Gäste den schriftlichen Beleg, dass noch etwas nachgeliefert werden musste. Ansonsten zeigte die Bedienung einen Überschwang an mütterlicher Betreuung, die umso intensiver zu werden schien, je älter die Gäste wurden. Sollte hier einmal eine berufliche Umorientierung notwendig werden, ist das Portfolio an Pflegeberufen sehr empfohlen.
Im Gasthof Burgwall (bei Strasburg) versucht man sich in einer erhöhten Küche zu erhöhten Preisen, allein an der Ausführung haperte es am Abend des Besuches. Mittelmäßiges Essen in durchschnittlicher Qualität landet auf dem Teller, dem man leider den Willen nach mehr ansah, allein: Es ist beim Willen geblieben.
Kalter Kaffee Mangelware
Wenn jemandem hauptsächlich Sachen erzählt werden, die er noch nicht kennt, wird ihm kein kalter Kaffee angeboten. Solche bildhaften Floskeln bringen gewisse Zusammenhänge pointiert auf den Punkt; sie beleben die Sprache. Wer seinem Gästen keinen kalten Kaffee anbietet, gilt gemeinhin als interessant und besuchenswert.
Es gibt aber eine kleine, aber feine Ausnahme, bei der es darum geht, wirklich kalten Kaffee zu servieren. Wobei, so ganz gutes gehobenes Benehmen ist es wohl doch nicht (vergleiche Sendereihe „Benimm im Trend“ bei RundumGenuss auf NB-Radiotreff 88,0). Nach den allgemein üblichen Regeln des guten Benehmens schließt, wenn es denn noch ein Kaffeegetränk sein soll, höchstens ein Espresso oder Mokka ein gutes Menü ab. Weiterführende Verarbeitungen werden als unpassend angesehen. Man kann zwar in Neubrandenburg auch recht gut speisen, allerdings fällt mir momentan kein Restaurant auf einem Niveau ein, wo auf diese (wie andere) Etikette wirklich so viel Wert gelegt wird.
Hat das Hauptgericht noch Platz für ein kleines Dessert gelassen, verbinde ich das gern mit besagtem Kaffee und bestelle mir einen Eiskaffee. Ich wollte es schon zu einer kleinen privaten Tradition aufbauen, aber ich glaube, ich lasse das. So ein Eiskaffee scheint ein sehr kompliziertes Getränk zu sein. Etwas kalter Kaffee wird – ggf. etwas gesüßt – mit einer Kugel Vanilleeis, einer Sahnehaube, einem Strohhalm und einem langstieligen Löffel in einem schlanken Glas ergänzt und dem Gast kredenzt.
Dieser Tage aß ich gut in der dafür bekannten Neubrandenburger Mudder-Schulten-Stube, die anderen Mitgäste waren ebenfalls voll des Lobes, wenn man mal von ein paar zu stark angebräunten Bratkartoffelscheiben absieht. Der abschließend zu genießende Eiskaffee erwies sich allerdings als totaler Reinfall, wie ich ihn bisher nur in einer auf anderem Niveau arbeitenden Wohngebietsgaststätte erlebte (Wobei ich dort auch schon mal ein Getränk erhielt, dass den Namen Eiskaffee wirklich verdiente. Das ist aber schon eine Weile her.). Selbst, wenn kein kalter Kaffee vorrätig gewesen wäre, die Variante mit heißem Kaffee, der sich durch das Eis abkühlte, hatte ich ja auch schon mal; aber Pulvereiskaffee, der den Namen nur wegen Spuren löslichen Kaffees in Ansätzen verdient, ist der alten Bäckersfrau nicht würdig.
Fenster mit Aussicht
Eine Restaurantkritik zu verfassen, ist gar nicht so einfach. Nicht umsonst gibt es nur wenige bekannte, große Restaurantkritiker, die das gut können (oder nur noch von dem Ruf leben, es mal gekonnt zu haben). Mit feiner Zunge wollen das Essen geschmeckt und die Getränke getrunken sein. Auch das Auge isst mit, was sich zum einen auf dem Teller und zum anderen am allgemeinen Ambiente abarbeiten darf. Eine eigene Kriterienliste, an der sich die Speiseneinnahmeeinrichtungen messen lassen müssen, sind sicher auch hilfreich. Erfahren sollte die Zunge auch sein, entweder, um dem Genuss vollendet nachspüren oder Fehler des Kochs oder Lieferanten erkennen zu können. Mein Dreh- und Angelpunkt ist das gute Essen auf dem Teller, seine Conveniencehaftigkeit (möglichst nicht), Aussehen, Frische, sinnvolle Verarbeitung u. ä. Achja, und einen guten Aufhänger für seine Geschichte braucht man auch.
Ein Familiengeburtstag brachte mich an eine hiesige Essensstätte, die ich bisher noch nicht auf meinem Schirm hatte. Vor vielen Jahren stand ich schon mal davor, allein die damalige Geschlossenheit zwang zur Weiterfahrt. Gerade aber für Gruppen scheint das Hotelrestaurant nicht unideal zu sein. Die Lage bot sowohl vor dem Haus als auch aus dem Gastraum – zwei gläsernde Wände ermöglichen bei unpässlichem Wetter den Ausblick – einen ungewohnten Blick über Neubrandenburg einschließlich Tollensesee und -tal. Wir hatten ein wenig Glück; zwar war der Wind noch kühl und deswegen unangenehm, aber der herrliche Sonnenuntergang belohnte das Auge.
Apropos Sonne. Die beschien zuvor das Ambiente in und um den Raum der Feierlichkeit, in den sicher bis zu 30 Leute gemütlich hineinpassen. Für Wohlgefühl sorgte ein aufmerksamer Service, der sowohl Sonderwünsche als auch launige Bemerkungen aufnahm und trefflich reflektierte. Bei 20 Bestellungen á la carte kam die Küche dann zwar ein wenig an ihre Grenzen, die anwesende Kinderschar machte es aber sowieso beinahe unmöglich, dass alle gleichzeitig aßen.
Hatte man seinen Blick über Neubrandenburg gesättigt, kamen die näher liegenden Außenanlagen ins Blickfeld. Eine park- oder gartenähnliche Grilllandschaft inkl. Pavillon, ein großes Schachspiel oder auch Tischtennis und weiteres lassen den Platz für längere Feiern mit Bespaßungen für jung und alt. Bei der Vorstellung eines lauen Sommerabends, umweht vom aromatischen Odem gegrillten Schweins, in der Hand ein perfekt gekühlter Rosé und der Blick aus der Holzlaube über die Stadt, geht einem das Herz auf. Vielleicht sollte man mal im Hotel Hellfeld nachfragen, ob die das dort selber machen oder ob man einfach nur die Einrichtung mietet und alles mitbringt.
Durchgangszimmer mit Ausblick
oder: Wenn das Bäckchen das Filet streichelt.
Fangen wir doch mal – ganz unorthodox – mit dem negativen an. Es ist wunderschön, wenn eine gastliche Stätte, die nicht nur über einen Raum, sondern auch eine Terrasse verfügt, beides in Betrieb haben kann, um Besucher mit allerlei lukullischem zu verwöhnen. Wenn der sich aber immer mal wieder bemüßigt fühlt, durch den Gastraum zu staksen, und sei es nur, um an der gegenüberliegenden Seite zu wenden und wieder zurück zu gehen, kann es den einen oder anderen Gast beim Essen schon stören.
Apropos Essen: Das war dann doch von ausgesprochen guter Qualität und präsentierte sich in Form eines zarten Ochsenbäckchens in aromatischer Rotweinsoße sowie auf der gegenüberliegenden Tischseite als gebratenes Seehechtfilet mit Kartoffel-Spinat-Roulade als Sättigungsdreingabe. Die Ofentomaten mit Pestovignigrette oder das Bohnendreierlei passen zu ihren jeweiligen Gerichten. Am besten – wenn auch von einem etwas verliebten Koch, naja, es ist Frühling – war noch der Fisch, schienen alle anderen auf dem Tisch stehenden Leckerbissen bei der Zubereitung auf diesen gewartet zu haben.
Als Vorspeise gab es frischen, gemischten Salat an wohlschmeckendem Dressing, wobei sich bei der Preisbildung eine kleine Unlogik eingeschlichen haben könnte. Die Frage an den geneigten Leser wäre, welcher wohl der teurere wäre: der mit 3 Scheiben gebeiztem Lachs an Honig-Senf-Dill-Soße oder der mit sechs frisch gebratenen Großgarnelen auf einem cremig-würzigen Frischkäseklecks (jede Meeresfrucht hatte ihren eigenen). Die rhetorische Frage unterstellt, was wir bereits vermuten.
Da Vorspeise und Hauptgericht so dimensioniert waren, dass noch das Dessert den Platz in der Genießer Bäuche fand, verschwanden dort noch zum allgemeinen Wohlgefallen ein erfrischendes Joghurtmousse mit einer Kugel Kirscheis (auf der Karte stand zwar Erdbeereis, aber das Kirscheis war mir letztendlich lieber) und eine ähnlich, dort aber laut Plan kirscheisaufgepeppte Créme Brülée aus Glas und Schale.
Ein Wort noch zum Service: zu viel. Was nicht heißen soll, dass er aufdringlich gewesen wäre. Das Maß der Aufmerksam- und Umsichtigkeit war sehr in Ordnung, auch wenn man den Eindruck nicht los wurde, in einem Lehrausbildungsbetrieb zu sein, was aber nichts negatives heißen soll. Aber wenn sich im Verlauf des Essens vier Servicekräfte um einen kümmern, von denen die späteren nicht wissen, was die vorher bedienenden als Bestellung aufgenommen haben, passt das nicht ganz in das an sonsten sehr ordentliche Bild.
Zusammenfassend kann man sagen, dass ich zum einen nicht das erste Mal im Stolper Fährkrug gut gegessen habe und es auch nicht das letzte Mal gewesen sein wird. An einem lauen Sommerabend kann ich mir auch und vor allem die Terrasse mit Blick über die vorbeifließende Peene als sehr gemütlichen Verweilort vorstellen, in der Hoffnung, die Stolper haben eine gute Patentlösung gegen die dann sicher vielzählig vorbeikommenden Mücken.
Nicht aus der Schüssel, aber lecker
Eine niveauvolle Gastwirtschaft vernünftig zu betreiben, so dass nicht nur die eigenen Ansprüche sondern auch die der Gästze erfüllt werden, ist nicht jedermann gegeben. Aber es gibt viele Hilfsmittel und Möglichkeiten, der Tätigkeit rund um die Bewirtung und Unterhaltung eine Struktur zu geben, so dass der Wirt Höchstleistungen vollbringen kann und die Gäste glücklich und satt am späten Abend gehen und am besten am nächsten Tag gleich wiederkommen.
Und so kommt es immer wieder neuen Formen der Organisation eines Restaurants. Klassisch natürlich die in sich geschlossene Küche mit ihren Arbeitsbereichen, der Gastraum, teilweise ergänzt durch eine Bar, und für das gute Wetter vielleicht auch noch eine Terrasse. Zur vollständigen Ausstattung gehören dann auch noch die sanitären Einrichtungen. Je nach Platzangebot im umhüllenden Gebäude kann es hier zu durchaus kurios zu nennenden Situationen kommen: Sanitärräume auf der anderen Wegseite, Küche eine oder mehrere Etagen unter dem Gastraum, mehrere Gasträume oder Restaurants, die aus der gleichen Küche bedient werden, Klo im Keller, offene Küche direkt im Gastraum usw. usf. Die Kunst des jeweiligen Betreibers ist es, die Servicefunktionen richtig zu beschriften, dass es zu keinen Irritationen kommt. Verwendete Abkürzungen sollten da eindeutig und allgemein gängig sein. Anglizismen oder denglische Ausdrücke sind zu überlegen.
Das hier zu besprechende Esserlebnis brachte gerade auf dem erwähntem Gebiet neue Erkenntnisse. Kommen wir aber erstmal zum wesentlichen: zum Essen. Salopp zusammengefasst lässt sich sagen: Es gab Fleisch. Das ist bei einem Steakhaus als üblich anzusehen. Die Größe des Gastraums ließ die Strategie des Kochs, eher weniger steakfähige Fleischsorten, dafür aber gute und gut zu vollendende, auf die Karte zu setzen, zumindest sinnvoll erscheinen. So fehlen exotische und damit meist auch nicht gut gehende Fleischsorten auf der Karte. Die verschiedenen Teile vom Rind, vom Schwein und vom Huhn kommen in einer sehr guter Qualität auf den Tisch, der man auch die sehr gute Rohware noch nachspüren kann. Wer selbst schon mal ein Entrecôte oder ein Rib Eye Steak vom Discounter – sowas gibt es manchmal wirklich – in der eigenen Küche zubereitet hat, der weiß, dass spätestens das Fettauge geschmacklich nach hinten losgehen und bei billligen Industrierindern gern mal talgig oder noch schlimmer schmecken kann.
Nicht so im erwähnten Steakhaus. Das Fleisch, dass die Essgesellschaft auf ihren Tellern hatte, fand allgemein Anerkennung. Die Beilagen, die im Baukastensystem jeweils zum Fleischstück dazu gewählt werden, boten auch kaum Anlass zur Kritik, wenn man mal von einer durch den Service „geografisch“ falsch zugeordneten Soße absieht, die irgendwie ihren Empfänger dadurch nicht erreichte, aber nur kurz vermisst wurde.
Wobei wir damit beim Thema Service wären. Das gute Bild, dass durch die richtige Dosis Aufmerksamkeit und Beflissenheit aufgebaut wurde, bekam zwischendurch ein paar kleine Fehlstellen, die zum sonstigen höheren Niveau des Hauses nicht ganz passen wollen. Nicht wissen könnend, was kommende Gäste alles zu sich nehmen werden, waren die Plätze mit jeweils einer Gabel und einem Messer eingedeckt. Die Frage stellt sich, wie der Service mit der Situation umgeht, wenn ein Gast eine Vorspeise nimmt. Variante 1 wäre, ein passendes Vorspeisenbesteck „mitzuliefern“ oder vor der Vorspeise nachzulegen. Da das nicht passierte, wurde Variante 2 umgesetzt. Der Gast nahm zur Vorspeise das bereitliegende Besteck und für das Hauptgericht kommt dann ein neues. Aber bitte nicht vom nebenstehenden, nicht genutzten, aber eingedeckten Tisch.
Der Service kommt übrigens mit den vollen Tellern immer aus einer Tür, die abgekürzt beschriftet ist, was vermutlich – ganz denglisch – Wirtschaftscenter heißt. Mit etwas Phantasie käme ich auch noch auf „well cooking“, was dann gutes Kochen heißen sollte. Da die Sprache der Küche ja eher das französische ist, versuche ich es mal mit „wallon cuisine“, bezogen auf die Küche der Wallonie, die für ihre Fleischzubereitungen auf dem Grill so berühmt ist. Aber alle Spekulation hilft nichts, das „WC“ an der Tür, aus der der Service mit dem guten Essen kommt, heißt doch water closet und bringt doch komische Gedanken mit sich. Da sollten die Betreiber des Cayenne noch dran arbeiten.
Wandelgang auf Messers Schneide
Schnell serviert und schnell gegessen, das sollte man mit Gerichten tun, die Kiwi und Milchprodukte kombinieren. Vor allem im Dessertbereich kann sowas passieren. Aber der Fruchtzauber, der mein heutiges Abendbrot sahnig krönte, war geschickt zusammengestellt. Die bunt zuckerbestreuselte Sprühsahne konnte die drei Eiskugeln darunter nur schwer ergänzen, deren eine Kugel, ein sehr leckeres aromatisches exotisches Fruchtsorbet, menüabschließend das Mahl vollendete. Darunter fand sich, abgetrennt durch eine Schicht Melonenstückchen die Kiwijulienne. So konnte nichts passieren, keine Bitternis trübte den Genuss.
Aber zäumen wir nicht das Pferd von hinten auf. Ein kleiner Tagesausflug durch die süd-mecklenburg-vorpommersche und nordbrandenburgische Landschaft mit kleinen Abschweifungen in die (Ost-)Vergangenheit zweier mittlerweile Anfangvierziger und der Beobachtung durch einen gegenwärtigen (West-)Endteen brachte drei hungrige Mägen ins Seehotel Heidehof in Klein Nemerow. Man hört ja mittlerweile viel gutes aus der Einrichtung. Die Speisekarte erweist sich als übersichtlich, was die Auswahl der Gerichte trotzdem nicht vereinfacht. Auf der Webseite des Hauses gibt es Auszüge aus der Karte zu sehen. Da wünscht man sich ggf. volle Information und Aktualität.
Denn: Das Essen lohnt den Ausflug allemal. Der Hirsch war rosa, zart und saftig, die Kräutersaitlinge auf dem Punkt und das Kartoffel-Pastinaken-Püree eine Sünde wert (Hauptsache, Frank liest das hier nicht). Die Vorsuppe war ein Gedicht mit Biss, die Einlage brachte eine willkommene knackige Note hinein. So beendete ein beinahe vollkommenes Mahl, finalisiert mit fach- und sachgerechten Espressi und Cappuccini, einen ereignis- und erinnerungsreichen Tag.
Wieso kam im letzten Satz das Wort „beinahe“ vor? Der Facebookseite entnehme ich, dass das Restaurant gerade erst aus einem Betriebsurlaub erwacht ist. Ich vermute mal, dass in der Zeit die Heizung in den Räumen nach unten geregelt war, so dass alles im Haus etwas auskühlte. Das betraf vor allem auch die Teller, was zur Folge hatte, dass alles, was heiß auf dem Tisch zu sein hatte, zwar mundgerecht temperiert war, aber auch gern einen Hauch wärmer hätte sein können. Da machte sich der lange Weg von der Küche zum Gast doch bemerkbar, auch wenn er vom Restaurantleiter gekonnt und zügig zurückgelegt wurde. Aber es war auch ein kühler Abend, in den nächsten Wochen und Monaten wird es draußen auch wärmer.
P.S.: Ein technischer Gedanke zum Schluss. Das oben verwendete Wort Kiwijulienne kann die Rechtschreibüberprüfung meines Browsers nicht, ein Rechtsklick auf das Wort Ejakulieren als alternativen Wortvorschlag. Nur mal so. 😉